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Wohngemeinschaften sind etwas Wunderbares – wären da nicht die Mitbewohner. Adrian Hartmann und seine Frau Annalisa sind mit einer geflüchteten Familie aus Eritrea zusammengezogen. Und irgendwie läuft es da wie in jeder WG.

Von Ramin Nowzad

Neulich wurde Adrian Hartmann am Bankschalter erkannt. «Sind Sie nicht der mit den Flüchtlingen?» Adrian Hartmann ist 34 Jahre alt, hat eine Frau und ein junges Kind. Vor zwei Jahren zogen die Hartmanns mit einer Familie aus Eritrea zusammen. Das ist in der Schweiz so ungewöhnlich, dass sie nun öfters in der Zeitung stehen.

Die Hartmanns leben in Eschenbach, einem Dorf in St. Gallen. 4502 Einwohner, umringt von Wäldern und Kuhweiden. Es gibt einen Schützenverein und ein Flüchtlingsheim, die SVP ist stärkste Kraft. Adrian Hartmann steht auf dem Balkon der Sechseinhalb-Zimmer-Wohnung und spiesst einen Cervelat vom Grill, seine Frau Annalisa stellt Käseplatte und Senf auf den Tisch. Es ist ein sonniger Nachmittag, aus dem Wohnzimmer tönt Kinderlärm. «Die Kinder sind inzwischen wie Bruder und Schwester», sagt Annalisa Hartmann. «Sie spielen viel und sie streiten viel.»

Die Sache mit dem Putzen
Als Annalisa Hartmann vor zwei Jahren schwanger war, nahmen sie eine geflüchtete Familie aus Eritrea bei sich auf. Die Idee kam ihnen im Kino. «Wir sahen einen Film über ein autistisches Kind, das überall gehänselt wurde», erinnert sich Adrian Hartmann. «Dann zog das Kind in eine multikulturelle WG und dort konnte es zum ersten Mal ganz es selber sein. So soll unser Sohn auch aufwachsen, dachten wir damals.»

Sind die Hartmanns Multikulti-Romantiker? Herr Hartmann schüttelt den Kopf. «Nein, überhaupt nicht. Wir sehen die Schwierigkeiten des Zusammenlebens.» Oft ärgern sie sich, dass ihre Mitbewohner die zweijährige Tochter anders aufziehen, als es in Schweizer Erziehungsratgebern nachzulesen ist. Und dann ist da auch die Sache mit dem Putzen. «Unsere Mitbewohner geben sich Mühe», sagt Adrian Hartmann, «aber wir Schweizer haben einfach ein ganz anderes Verständnis von Sauberkeit.»

«Zuversicht, dass alles gut ausgeht»
Adrian Hartmann arbeitet für eine christliche Menschenrechtsorganisation, seine Frau ist Redakteurin einer Lokalzeitung. Inzwischen wohnen sie bereits mit der zweiten eritreischen Familie zusammen. Die erste blieb ein Jahr, heute lebt sie in einer eigenen Wohnung gleich um die Ecke. «Wir haben mit ihnen immer nur Deutsch gesprochen, so haben sie die Sprache schnell gelernt», sagt Adrian Hartmann. «Wir wollen für unser WG-Modell Werbung machen. Es ist für Flüchtlinge die beste Möglichkeit, in der Schweiz Fuss zu fassen. Und auch wir profitieren immens: Unser Sohn wächst ganz selbstverständlich mit Menschen aus einer anderen Kultur auf. Er wird später im Leben keine Berührungsängste haben.»

Für Adrian Hartmann ist es die erste WG-Erfahrung seines Lebens. Das Zusammenleben hat Spuren hinterlassen. «Ich bin viel entspannter geworden – sogar beim Putzen. Früher war ich extrem pingelig.» Die Gelassenheit seiner Mitbewohner präge ihn. «Sie haben in ihrer Heimat und auf der Flucht so Unvorstellbares erlebt – und trotzdem nie die Zuversicht verloren, dass zum Schluss alles gut ausgeht.»

Kürzlich hat Adrian Hartmann seine ersten eritreischen Mitbewohner in ihrer neuen Wohnung besucht. «Sie sind in der Schweiz gut angekommen», sagt er. «Der Mann hat ziemlich geschimpft, dass seine Nachbarn den Kehricht falsch entsorgen und die Waschmaschine nie sauber hinterlassen. Das hat mich sehr gefreut.»